Kapitel 3: Ilses Lieblingsgedicht am 15. August 2014


Das folgende Gedicht von Thomas Northoff war am 15. August 2014 mein Lieblingsgedicht:

NICHTS

Es ist nicht so,
dass aus mir
nichts geworden wäre:
Ich wurde Nichts.
Nichts zu werden,
auch
Nichts geworden zu sein,
war äußerst
mühsam.
Größte Idioten
scheiterten daran
zum Leide der
Menschheit.

Thomas Northoff ist im Jahr 1947 geboren, ja, Gedichte führen quer und wild durch Raum und Zeit. Woran erkennt man eigentlich ein Gedicht? Als ich diese Frage ins Internet eingebe, werde ich auf Reim und Reimschema verwiesen. Ich zitiere: "Gedichte sind sprachliche Kunstwerke, in denen ein lyrisches Ich in verdichteter Form und im Versmaß seine Gedanken zu einem bestimmten Thema beschreibt. Sie werden i. d. R. auch als Lyrik bezeichnet." Und: "Seit dem
20. Jahrhundert entwickelte sich zusätzlich der 'freie Vers', der die Bindung an Regeln aufhebt. Teilweise nähern sich daher die Gedichte der Prosaform an. Was bei allen Gedichtformen bleibt, ist die inhaltliche Dichte, in der ein Thema bearbeitet wird. Ausführliche Erläuterungen fallen weg. Gedichte sind deshalb meist kurz. Da es sich bei lyrischen Texten um eine Kunstform handelt gibt es immer auch Ausnahmen."
Wer weiterlesen will: http://www.artikel-fakten.de/bildung-schule/definition-gedichte/

Wenn ich ganz salopp sein will, kann ich sagen, dass bei einem Gedicht auf der Seite meistens mehr Leerraum ist als bei einem Prosatext. Die Vorstellung, dass die Menschen kurz innehalten, ihr Lesefluss gebremst wird, gefällt mir. Schließlich geht es beim Lesen nicht um Geschwindigkeit. Vielleicht mache ich sogar deswegen mitunter Zeichnungen in meine Texte, damit der Lesefluss gebremst wird. Naja, natürlich nicht nur deshalb.
Zurück zu Thomas Northoffs Gedicht. Gibt es etwas Schwierigeres, als das NICHTS? Gibt es etwas Faszinierenderes als das NICHTS? Und ist das NICHTS nicht eine konsequente Verweigerung? Ist das NICHTS nicht zugleich alles, was uns bleibt? Was immer aus uns wird? Und sind wir nicht zugleich immer ETWAS, selbst wenn wir NICHTS bleiben? Also, quasi, niemand muss ETWAS werden, um ETWAS zu sein, beziehungsweise, NICHTS ist ETWAS. Ähh.

Ich antworte dem Gedicht mit einem Zweizeiler:

ALLES IST EITEL.
ICH AUCH.

Ja und der 15. August? Ist eigentlich Zufall. Macht nichts. Man kann das Gedicht auch an jedem anderen Tag zum Lieblingsgedicht machen.