Kapitel 22: Auf der Welt sein


Ich beginne dieses Kapitel mit zwei Gedichtzeilen vom Magdalena Knapp-Menzel, die mich sehr berührt haben. Sie haben mich auch deswegen berührt, weil Magdalena dieses Gedicht just bei einem Fest gelesen hat, welches 30 Jahre "Das fröhliche Wohnzimmer" feierte. 30 Jahre! Eigentlich unglaublich! Länger als die Hälfte meines bisherigen Lebens bewohne ich das Fröhliche Wohnzimmer.

Die Gedichtzeilen von Magdalena Knapp-Menzel gehen so:

in kenntnis der traurigkeit fröhlich zu sein
halte ich für den größtmöglichen lebenserfolg

Hm ja. Es ist ja so, dass es eigentlich nicht möglich ist, ohne Kenntnis der Traurigkeit fröhlich zu sein, da die Kenntnis der Traurigkeit gewissermaßen mit dem Leben Hand in Hand geht. Also vielleicht kann man, wenn man noch eher kurz am Leben ist, noch an der Traurigkeit vorbeisehen, frohgemut auf die Güte des Universums vertrauen. Ja, wahrscheinlich kann man das. Und wahrscheinlich kann man es nicht immer.

Eins und eins und ein Happy End.
Oder täusche ich mich?
Mit einer kleinen Bewegung
einer kleinen Bewegung
des Blatt Papiers: Die Nachricht vom Weitermachen.
Weitermachen. Man möchte schon.

So klingt ein Gedicht von Fritz Widhalm, das ich auswendig kann. Hoffentlich habe ich es richtig zitiert. Es hat ein ähnliches Thema, wie man unschwer erkennen kann. Ich benenne das Thema mit einem Satz von Ilse Aichinger: "Aber die größte Begabung ist die, auf der Welt sein zu können, mit einem gewissen Frohsinn."

Ja so ist es, und, irgendwie beruhigt es mich, dass ich nicht alleine bin mit meinem Bemühen um Fröhlichkeit, um eine Fröhlichkeit, die nicht einfach das Bestehende lustig findet und somit bestärkt, sondern die sich, lachend oder zumindest lächelnd, herausnimmt, die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren, ja, die gegen die Verhältnisse lacht und lächelt. Ob es den Verhältnissen etwas ausmacht, wenn gegen sie gelacht wird. Na hoffentlich! Ich weiß nicht, wieso mir, offenbar verkehrt herum denkend, der folgende Satz einfällt: "Recht geschieht es dem Vater, wenn mich die Schuhe drücken."
Ist das "Unsinnspoesie"?

Recht geschieht es dem Vater,
wenn mich die Schuhe drücken.

Und noch eine Variante des Themas, diesmal von Samuel Beckett. Bei Samuel Beckett muss ich an Leonard Cohen denken, bei Leonard Cohen muss ich an Kevin Coyne denken und bei Kevin Coyne denke ich flugs an Kathy Acker. Ja, es gibt wirklich allerhand, an das man denken kann, rund um das Thema im Kreis herum. Bei Samuel Beckett klingt es so:

En face
le pire
jusqu'à ce
qu'il fasse rire

Das Gedicht ist enthalten in seinem Gedichtband "Flötentöne", eine Übersetzung stammt von Elmar Tophoven:

Man hat so lange das Schlimmste vor sich,
bis es einen zum Lachen bringt

Nun ja, die Übersetzung hat nicht die Eleganz der französischen Originalfassung, ja die Eleganz ist es, die das Gedicht unwiderstehlich macht und ihm einen direkten Weg zum Verstehen bahnt. Na ja, ein paar Worte französisch sind dabei von Nöten. Von Nöten oder vonnöten? Es besteht ein Bedeutungsunterschied, allerdings. wie man es nun, nach der neuen Rechtschreibung richtig schreibt, weiß ich allerdings nicht. Ich denke an eine Gedichtzeile aus dem "Wienerlied", das ich gemeinsam mit Fritz Widhalm geschrieben habe: "Der Ton ergibt die große Not."
Keine Angst. Das nächste Kapitel wird wieder fröhlich.
Wie ja auch dieses Kapitel fröhlich ist: eigentlich.